Der Name „Kreisarchiv“ sagt eigentlich alles: Hier werden Dokumente archiviert, die der Nachwelt erhalten bleiben sollen. Und natürlich ist klar geregelt, wann ein Dokument ins Archiv kommt – 30 Jahre nach dem letzten Eintrag ist eine Akte reif für das Archiv. Manchmal kann es aber auch länger dauern, und so sind Elvira Müller von der Zentralregistratur und Kreisarchivar Johannes Waldschütz kürzlich durch Zufall auf eine echte Rarität gestoßen.
Die Kollegin von der Führerscheinstelle, wegen etwas anderem kontaktiert, zeigte den beiden alte Bücher: die ältesten Ausgabebücher der Führerscheinstellen in den Oberämtern Oberndorf und Rottweil, den Vorläufern des heutigen Landkreises. In diesen kann jeder, der der alten Schriften kundig ist, nachlesen, wer den ersten Führerschein im heutigen Kreis Rottweil gemacht hat. Am 1. Oktober 1906 erhielt Karl Hirt, Chauffeur des Fabrikanten Mayer in Schramberg seinen Führerschein. Einen Tag später bekamen Josef Reuter, Gottlob Melchior und Adolf Alber auf dem damaligen Oberamt Oberndorf die Fahrerlaubnis. Alle drei arbeiteten als Chauffeure der Uhrenfabrik Junghans und Haller in Schramberg.
Deren Inhaber Artur Junghans war, das ist aus anderen Quellen bekannt, ein begeisterter Autonarr und tüftelte mit Wilhelm Maybach, Robert Bosch und Gottlieb Daimler an Wagen und Motoren. Nachdem Chauffeur Melchior bei einer Fahrt am Randen die Bremsen versagten und die Herren mit Schwung in einem Misthaufen landeten, ließ Junghans die Hebellenkung in eine Schneckenlenkung umwandeln. Das Prinzip unseres heutigen Lenkrads war geboren.
Während in der Industriestadt Schramberg die ersten Führerscheininhaber allesamt als Chauffeure für Fabrikanten arbeiteten, war es in der Beamten- und Akademikerstadt Rottweil der praktizierende Arzt Dr. Josef Marx, der am 6. August 1910 den ersten Führerschein erwarb. Der Wagen erlaubte es ihm wohl, auch in den Dörfern der Umgebung Hausbesuche zu machen. Drei Tage später folgten dann Chauffeur August Rögelein aus Schwenningen, Oberförster Otto Rieble aus Rottweil sowie die Wagenführer Karl Schmid, Ludwig Bartenschlager und Anton Barth. Sie verdienten ihren Lebensunterhalt nicht als Chauffeure von Fabrikanten, sondern als Fahrer von Transportfahrzeugen.
Die Führerscheinausgabebücher verraten noch viele bislang unbekannte Geschichten, etwa wer die erste Frau mit Führerschein war oder wer den ersten Führerschein im neuen Landkreis Rottweil gemacht hat. Klar also, dass diese Dokumente archivwürdig sind und von nun an dauerhaft ihren Platz im Kreisarchiv Rottweil finden.